Die Bürkle-Gruppe aus Sasbach gehört seit dem 1. Januar 2019 zum chinesischen Mischkonzern Yongfeng. Damit stellt die Inhaberfamilie Bürkle die Weichen für die Zukunft auf Internationalisierung und Wachstum. Auch in Sachen Unternehmensnachfolge ist damit für klare Verhältnisse gesorgt.
Basierend auf der vorhandenen Firmenkultur sollen die Badener Innovationsführer in China beim Aufbau von zehn neuen Werken helfen und so die dortige Bauindustrie modernisieren. Ein Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland sei nicht zu befürchten – im Gegenteil: Sasbach spiele künftig eine wichtige Rolle in der Beratung, Begleitung und Mitarbeiterschulung im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau von hochmodernen Werken in China, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens.
Yongfeng beschäftigt rund 9.000 Mitarbeitern und erwirtschaftet einen Umsatz von ca. 4,8 Milliarden Euro. Das Unternehmen ist vor allem in den Bereichen Stahlerzeugung, Projektentwicklung, Handel und Logistik tätig. Yongfeng zählt zu den 500 größten Unternehmen im Reich der Mitte und hat sich mit der Bürkle-Transaktion erstmals in einem Unternehmen außerhalb Chinas engagiert.
Die Bürkle-Gruppe mit der Betonwerk Bürkle GmbH & Co. KG und der Bürkle Kellerbau GmbH + Co. KG in Sasbach, sowie der Bürkle Kellerbau GmbH in der Schweiz, ist 1957 von Gertrud und Walther Bürkle für die Herstellung von Balkendecken und Silos gegründet worden. Über die Jahre wuchs das Unternehmen mit innovativen Ideen und einer weitgehend automatisierten Produktion zum Marktführer in Süddeutschland. Aus 70.000 Tonnen Kies, Sand und Zement fertigen 120 Mitarbeiter jährlich rund 500.000 Quadratmeter Wände und Decken und bauen europaweit 500 Keller und Bodenplatten für die Fertighausindustrie.
KONTINUITÄT UND VERLÄSSLICHKEIT
„Sowohl für die Mitarbeiter wie für uns als Familie beginnt eine neue Ära“, teilt Geschäftsführer Johannes Bürkle mit, der das Familienunternehmen von seinen Eltern übernommen und Zug um Zug ausgebaut hat. „Es wird auch jetzt keinen Bruch in der Führung des Unternehmens geben. Im Gegenteil: die Interessen der Mitarbeiter und unserer Kunden hatten und haben für uns höchste Priorität“, betont Bürkle, der noch mindestens bis Ende 2023 alleiniger Geschäftsführer des Unternehmens bleiben wird. Gleichzeitig baue er aus seiner vorhandenen Mannschaft Führungskräfte so auf, dass diese nach ihm das Unternehmen fortführen können. Bürkle: „Wir sorgen für mehr Kontinuität und Verlässlichkeit als mit einer familieninternen Nachfolgeregelung möglich gewesen wäre und unser neuer Gesellschafter begrüßt und unterstützt die firmeninterne Nachfolge sehr.“
Für Kunden des Unternehmens werde sich in Zukunft rein gar nichts ändern, betont Bürkle. Für Mitarbeiter bleibe ebenfalls alles beim Alten – mit einer Ausnahme: Künftig sei es möglich, eine internationale Karriere zu machen und eine wichtige Rolle in der Planung und Realisierung der neuen Werke in China zu spielen.
Der neue Gesellschafter hat größtes eigenes Interesse und auch vertraglich zugesichert, dass der Standort Sasbach so fortgeführt werde, als wäre er noch in Familienbesitz. Innovationskraft, Serviceorientierung, Nachhaltigkeit und gelebte Verantwortung für die Mitarbeiter – diese Werte bilden auch künftig das Fundament der Firmenkultur. Gleichzeitig sollen nach den Ideen und Konzepten der Sasbacher in China ähnliche Produktionsanlagen entstehen. Hintergrund ist, dass intelligente Betonfertigteile in Chinas Bauindustrie noch kaum zum Einsatz kommen – weil es an den nötigen Produktionskapazitäten und dem notwendigen Know-how fehlt. „Ein gewichtiger Kaufgrund für den neuen Gesellschafter war und ist es, dass wir eine beratende und begleitende Rolle beim Bau von neuen Werken in China spielen werden“, sagt Johannes Bürkle.
Dass man sich damit auf lange Sicht selbst Konkurrenz macht, ist absolut unvorstellbar. „Beton und Betonfertigteile sind viel zu schwer und bezogen auf ihr Gewicht auch zu kostengünstig, als dass man sie über weite Distanzen transportieren könnte“, sagt Bürkle.
Im Zusammenhang mit den rund ein Jahr währenden Verhandlungen dankte Bürkle nicht nur seinem Berater- und Verhandlungsteam mit Arnim von Heyl, Peter Lötz und Thorsten Zegrotzki, sondern auch seiner Mutter als Mitgründerin des Unternehmens, die den Entschluss der Familie zu 100 Prozent mitgetragen habe.
WAS BÜRKLE ZUM TECHNOLOGIEFÜHRER MACHT
Dass Europas modernste Fabrik für Wände und Decken aus Beton in Sasbach steht, haben sich die Bürkles mit ihren Mitarbeitern im Verlauf von mehr als sechs Jahrzehnten selbst erarbeitet: Mit Hilfe einer vollautomatisierten, flexiblen Fertigungsanlage für Betonwände und –decken entstehen aus Kies, Sand, Wasser und Zement tonnenschwere Fertigteile für wasserdichte Keller sowie Bauelemente für Gebäude jeder Größenordnung.
2,6 Millionen Euro hat der Unternehmer Johannes Bürkle erst 2018 in die flächenmäßige Erweiterung und in die Modernisierung des Standorts Sasbach investiert. Für das Entschalen, das Schalen, für das Positionieren von Einbauteilen, das Bewehren der Elemente mit Betonstahl und selbst für das Betonieren der Elemente sind bei Bürkle automatisierte Maschinen im Einsatz. Damit eine Kellerwand später auf der Baustelle auf den Millimeter genau passt, arbeitet man bei Bürkle mit Schalungstischen, den sogenannten Paletten, sowie mit Schalungselementen aus Stahl. Ihre Position gibt vor, wie breit und hoch ein Element wird – und auch hierum kümmern sich diverse Roboter. „Die Schalung der einzelnen Elemente wird von einem Roboter übernommen und das gesamte Handling der ca. 1.500 verschiedenen Schalungselemente übernimmt bei uns ein Lagerroboter“, erläutert Johannes Bürkle. „Durch dieses vollautomatisierte Schalungshandling werden Mitarbeiter entlastet. Sämtliche körperlich belastende Arbeiten werden von Maschinen erledigt.“
Die neue Fertigungsanlage wurde nicht in erster Linie gebaut, um den Ausstoß des Unternehmens zu steigern, sondern um sauberer, besser, sicherer und mit weniger manueller Arbeit fertigen zu können. „Wir setzen bei unseren Kellern auf höchste Qualität und Genauigkeit“, sagt Bürkle. „Wir lassen seit zehn Jahren einen Keller vor unserer Firma schwimmen, um zu zeigen, wie dicht unsere Keller sind. Mit den neuen Anlagen gehen wir jetzt noch einen Schritt weiter und stellen uns unserer Verantwortung gegenüber unseren Kunden, den Mitarbeitern und der Umwelt.“
Gleich neben dem neuen Schalungsroboter arbeitet Miss Piggy: Die schweinchenrosa angestrichene Anlage ist dafür da, die Schalungstische nach Verwendung zu reinigen und auch die winzigsten Betonkrümel zu entfernen. Bisher musste auch diese Tätigkeit von Menschen erledigt werden.
VORREITER IN SACHEN UMWELTSCHUTZ
Das neue Schalungssystem entlastet nicht nur die Mitarbeiter – sondern auch die Umwelt. „Wir haben den Einsatz von Styropor absolut minimiert“, sagt Bürkle. „Und dennoch haben wir auch in das Ende unseres Produktionsablaufs investiert: Wir trennen dort künftig den wiederverwertbaren Beton von anderen Materialien wie Plastik oder Schaumstoff.“ Ebenfalls gut für die Umwelt: Als Trennmittel setzt Bürkle künftig auf eine umweltverträgliche Dispersion. Der CAD-gesteuerte Schalungsöler wiederum reduziert den Ölbedarf für die Schalung der Bauteile um rund 50 Prozent. Und auch das Licht in der Halle ist neu: Anstelle der alten Leuchtröhren sorgen jetzt LEDs für mehr Komfort, mehr Sicherheit und weniger Ressourcenverbrauch.
Eine weitere neue Maschine ist der Insertroboter, der Einbauteile wie z.B. Elektrodosen millimetergenau und vollautomatisch positioniert und auf den Schaltischen verklebt. Auch das eigentliche Gießen der Betonteile erfolgt mit digitaler Unterstützung. Der Keiler, wie ihn die Bürkle-Männer nennen, gießt die Schalung mit Beton aus. Dabei weiß die Anlage ganz genau, wo und wie viel Beton für das jeweilige Element gebraucht wird. Ultrasensitive Sensoren überwachen diesen Vorgang laufend und sorgen so dafür, dass die Elementstärke auf einen Millimeter genau ist. „Wir sparen so viele Tausend Tonnen Rohstoffe im Jahr“, sagt Johannes Bürkle.
Nach dem Gießen der Betonteile wandern die Paletten in die Härtekammer. Auch hier eine Innovation. Die notwendige Beheizung dieser Härtekammer erfolgt mit der Abwärme einer Gasturbine, die als Kraftwerk Strom für das Werk erzeugt. Einfache Elemente dürfen danach auf die Baustelle, doppelwandige Bauteile müssen auf den Kopf gedreht werden, um ein zweites Mal vom Keiler betoniert zu werden. „Auch das 2018 installierte Palettenwendegerät arbeitet mithilfe von Kameras und neuen Sensoren vollautomatisch“, erläutert Johannes Bürkle.
Wichtig ist dieser hohe Automatisierungsgrad nicht nur aus Kosten- und Wettbewerbsgründen – sondern auch in Sachen Arbeitsschutz. Künftig kann die komplette Betonfabrik von sieben Menschen je Schicht ohne körperliche Belastungen betrieben werden. Im Zwei-Schicht-Betrieb entstehen so aus Kies, Sand, Wasser und Zement jährlich rund 500.000 Quadratmeter Wände und Decken. Die dafür nötigen rund 5.000 Tonnen Bewehrungsstahl würden übrigens reichen, um einen 10-Millimeter-Stab von Sasbach bis nach China zu legen…